Stellungnahme zur parlamentarischen Verabschiedung des Gewaltschutzpaketes vom 25.09.2019
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Letzten Mittwoch kam es im Nationalrat zur Abstimmung über den eingebrachten Gesetzesentwurf zum österreichischen Gewaltschutzgesetz. Trotz zahlreicher diesbezüglicher Bedenken von ExpertInnen im Vorfeld wurden aus Sicht des STLP einige Punkte beschlossen, die sich eher kontraproduktiv auswirken könnten.
Fraglich ist vor allem, inwieweit eine Erhöhung des Strafausmaßes tatsächlich dem Opferschutz dient. Dem gegenüber stehen fehlende präventive Maßnahmen, die gefördert werden sollten und die bereits in der Schule z. B. in Form von Projekten zu einem besseren sozialen Miteinander und zu mehr Achtsamkeit führen könnten.
Speziell Opfer von häuslicher Gewalt haben eine Hemmschwelle professionelle Hilfe anzunehmen. Die beschlossene Anzeigepflicht von medizinischen Berufen gefährdet die therapeutische Beziehung mit den KlientInnen. Alle Beschäftigten im Gesundheitsbereich müssen nun bei Verdacht auf eine Vergewaltigung Anzeige erstatten. Hier wurde zumindest noch der Passus ergänzt, dass volljährige Opfer ein Recht haben, der Anzeigepflicht zu widersprechen. Der STLP sieht diese Regelung als weiteren Kontrollverlust der Opfer, der sich kontraproduktiv auf den psychischen Genesungsprozess auswirken kann. Speziell Opferschutzeinrichtungen wie Kinderschutzzentren haben somit ab sofort eine Anzeigepflicht bei Minderjährigen. Inwieweit Bezugspersonen bei Verdachtsmomenten in solchen Fällen sich zukünftig hilfesuchend weiterhin dorthin wenden werden ist fraglich.
Wünschenswert wäre neben dem erwähnten Ausbau von Maßnahmen zur Gewaltprävention bereits in jungen Jahren auch eine Intensivierung der Täterarbeit. Es gibt Angebote diesbezüglich, aber zu wenig finanzielle Mittel und somit auch zu wenig Auflagen von verurteilten Straftätern in diese Richtung.
Ein weiterer wesentlicher Eckpfeiler der im neuen Gesetz fehlt ist, dass Opfer von Gewalt auch nach der Anzeige bzw. dem Strafprozess nicht im Stich gelassen werden. Sie benötigen für die Wiederherstellung ihrer psychischen Gesundheit Therapie, für die sie oftmals keinerlei oder unzureichende finanzielle Unterstützung erhalten.
Über Opferschutzeinrichtungen werden kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitungen bei Strafanzeigen angeboten. MitarbeiterInnen entsprechender Institutionen haben zielgruppenorientierte Fortbildungen, so ist z. B. der Weiße Ring für Opfer von situativer Gewalt, die Kinderschutzzentrum für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr und die Gewaltschutzzentren für Gewalt gegen Erwachsene zuständig.
Ist der Strafprozess beendet, endet auch die diesbezügliche Unterstützung. Ein entsprechendes Pendant im Zivilrecht, um Schmerzensgeldforderungen aufgrund von Auswirkungen und
(Spät-) folgen durch Gewalt einzufordern, gibt es leider nicht. Eine Ausweitung dieser Unterstützung wäre wünschenswert und mehr in Richtung Opferschutz, als einige der jetzt beschlossenen Maßnahmen.
Der STLP bedankt sich im Voraus für Ihre Kenntnisnahme und Berücksichtigung unserer weiteren Stellungnahmen. Für allfällige Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zu Ihrer Verfügung.
Mit besten Grüßen für den STLP
MMag.a Ingrid Jagiello
Vorstandsvorsitzende des STLP
Mag. (FH) Sebastian Lehofer, MSc. (stellv. Vorsitzender)
Mag.a Barbara Holzer-Titze (Kassierin)
Nadine Wagner-Rumpf (stellv. Kassierin)
Lukas Wagner, MSc. (Schriftführer)
Mag. Wolfgang Binder (stellv. Schriftführer und Bezirkskoordinator)
Mag.a Astrid Heidrun Derstvenscheg-Marinakis (Vorstandsmitglied)
Dr.in Dana Moore (AusbildungskandidatInnenvertreterin)
Mag. Konrad Fellerer (Projektmitarbeiter)
Andrea Nieß (Sekretariat)
Erstellt am September 30, 2019