Rechtliche Grundlagen



Psychotherapiegesetz

§ 1.

(1) Die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern.

(2) Die selbständige Ausübung der Psychotherapie besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung der im Abs. 1 umschriebenen Tätigkeiten, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.

Folgender Link führt Sie zum aktuellen Psychotherapiegesetz:

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010620


Verschwiegenheitspflicht

Aus dem Schreiben des BM für Soziale Sicherheit und Generationen zur Verschwiegenheitspflicht:

Ausgangspunkt für die Beantwortung ist § 15 Psychotherapiegesetz, BGBI.Nr.
361/1990, wonach der Psychotherapeut sowie seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertraut oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet sind.

Die Intention des § 15 leg. cit. ist der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Psychotherapeut.

Die Verschwiegenheitspflicht des Psychotherapeuten bezieht sich auf Geheimnisse, wobei Geheimnis eine Tatsache ist, die nur dem Träger dieses Geheimnisses und allenfalls noch seinem vertrauten Kreis bekannt ist, und bei der ein natürliches Interesse besteht, diese Tatsache Außenstehenden nicht bekannt zu machen.

Es bedarf somit auch immer wieder eines Konsenses zwischen Psychotherapeut und Patient darüber, welche Informationen und Tatsachen als Geheimnisse zu verstehen sind und welche einer möglichen Weitergabe und Auskunft unterliegen können, da es sich bei diesen Informationen und Tatsachen eben nicht um ein Geheimnis handeln soll. Überdies kann der Patient eine Determinierung eines Geheimnisses in personenbezogener Weise vornehmen,
d. h. dass Informationen und Tatsachen nur bestimmten Personen gegenüber nicht als Geheimnis gelten sollen, gegenüber allen anderen ist der Psychotherapeut aber ausnahmslos zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Daraus folgt abschließend, dass der Inhalt und personale Schutzbereich von Geheimnissen disponibel sein kann. Dies gilt selbstverständlich auch in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass beispielsweise ein Konsens zwischen dem Psychotherapeut und dem Kind darüber bestehen könnte, dass gewisse, den sexuellen Missbrauch betreffende Tatsachen, gegenüber dem Gericht keine Geheimnis darstellen und diesbezüglich der Psychotherapeut keiner Verschwiegenheit unterliegt.

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen darf aber darauf hinweisen, dass für den Fall, ob eine Information oder eine Tatsache im Zweifel als Geheimnis anzusehen ist oder nicht, der Schutz des Vertrauensverhältnisses und damit der Geheimnisschutz wohl Vorrang haben werden.

Dieses Prinzip wird auch dadurch abgesichert, dass Psychotherapeuten keiner Anzeigepflicht gegenüber der Sicherheitsbehörde (Polizei, Gendarmerie) unterliegen.

Zu beachten ist weiters der Fall, dass eine Psychotherapeut in einen Gewissenskonflikt gerät, ob er seine Verschwiegenheitspflicht u. a. zu Gunsten einer Anzeige oder gerichtlichen Aussage verletzen soll. Er hat zunächst für sich selbst eine Interessenabwägung
hinsichtlich der verschiedenen Rechtsgüter, wie beispielsweise Schutz des anvertrauten Geheimnisses und Schutz von Leib und Leben, vorzunehmen.

Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann dann in einer Notstandslage entschuldbar oder gerechtfertigt sein, wenn sie dazu dient, einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden. Zu beachten ist, dass es sich um eine gegenwärtige oder unmittelbare Gefahr, die den Eintritt des Schadens als sicher oder höchst wahrscheinlich erscheinen lässt, handeln muss.

In diesem Zusammenhang ist schließlich auch auf § 37 Abs. 2 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBI. Nr. 161 in der Fassung der Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998, BGBI. I Nr. 53/1999, hinzuweisen.

Diese Bestimmung sieht seit dem 1. Juli 1999 u. a. eine besondere Mitteilungspflicht für in der Begutachtung, Betreuung und Behandlung Minderjähriger in der Jugendwohlfahrt tätige oder beauftrage Personen, die auf Grund berufsrechtlicher Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, vor, wenn sich der Verdacht ergibt, dass Minderjährige misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden sind.
Sie haben dann, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Kindeswohles erforderlich ist, dem Jugendwohlfahrtsträger Meldung zu erstatten.

Das bedeutet, dass für in der Jugendwohlfahrt tätige oder beauftragte Psychotherapeuten seit dem 1. Juli 1999 die Bestimmung des § 37 Abs. 2 leg. cit. der Bestimmung des § 15 Psychotherapiegesetz als speziellere und jüngere Norm vorgeht und somit unter den genannten Voraussetzungen (vgl. insbesondere Verhinderung einer weiteren erheblichen
Gefährdung des Kindeswohls) die Weitergabe von Informationen zum Wohl des Kindes nicht durch den Hinweis auf die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht verhindert werden darf.

Im Gegensatz zu den Angehörigen von medizinischen Gesundheitsberufen besteht jedoch für alle Psychotherapeuten, die außerhalb des Rahmens der Jugendwohlfahrt tätig sind, keine Meldepflicht gemäß § 37 Abs. 2 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989. Die umfassenden
Verschwiegenheitspflichten gemäß § 15 Psychotherapiegesetz werden somit von der Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998 nicht berührt und bleiben so wie bisher ohne Einschränkung bestehen.

Zur Frage der Gefährdung des Kindeswohls darf auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage hingewiesen werden, wonach eine drohende Kindeswohlgefährdung dann vorliegt, wenn für Fachleute über die bloße Vermutung hinausgehende, konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen (vgl. 1556 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen
des Nationalrates XX.GP, S. 9).

Schließlich ermächtigt § 37 Abs. 3 leg. cit. in der Jugendwohlfahrt tätige oder beauftragte Personen, die einer berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, Informationen über sonstige Gefährdungen des Kindeswohls, die der Abwendung oder Beseitigung
derselben dienen, an den Jugendwohlfahrtsträger weiterzugeben.

Es darf angemerkt werden, dass Gesundheitspsychologen und klinische Psychologen von § 37 Jugendwohlfahrtsgesetz ebenso erfasst sind. Des weiteren treffen auch alle sonstigen Ausführungen auf diese Berufsgruppe zu, weil deren Verschwiegenheitspflicht im § 14 Psychologengesetz, BGBI. Nr. 360/1990, wortgleich zu § 15 Psychotherapiegesetz geregelt
ist.

Von diesen klar normierten Verschwiegenheitspflichten ist das strafprozessuale Zeugnisentschlagungsrecht vor Gericht zu unterscheiden.

Gemäß § 152 Abs. 1 Z 5 der Strafprozessordnung 1975, BGBI. Nr. 631, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. Nr. 526/1993, mit Wirkung vom 1. Jänner 1994, sind u. a. Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in
dieser Eigenschaft bekannt geworden ist, von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit.

Durch diese prozessualrechtliche Verankerung eines höchstpersönlichen Zeugnisentschlagungsrechts soll die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des § 15 Psychotherapiegesetz korrespondierend für den Fall
eines Strafprozesses abgesichert werden.


Aussagepflicht

Bezüglich der aufgetretenen Frage im Zusammenhang mit den gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten einer möglichen Aussagepflicht eines Psychotherapeuten/einer PsychotherapeutIn in einem zivilgerichtlichen Verfahren darf ich Ihnen mitteilen, dass als Beugestrafe grundsätzlich auch ein Freiheitsentzug in Frage kommt. Maßgebliche Rechtsvorschrift ist § 225 Zivilprozeßordnung: (1) Wird das Zeugnis ohne Angabe von Gründen verweigert oder beharrt der Zeuge auf seiner Weigerung auch, nachdem dieselbe als nicht gerechtfertigt erkannt worden ist, oder wird die Ableistung des geforderten Zeugeneides verweigert, so kann der Zeuge auf dem Wege der zur Erzwingung einer Handlung zulässigen Execution von amtswegen durch Geldstrafen oder durch Haft zur Aussage verhalten werden. Die Haft darf nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Processes in der Instanz verlängert werden und in keinem Falle die Dauer von sechs Wochen überschreiten. (2) Die Entscheidung, dass gegen den Zeugen mit der Execution vorzugehen sei, sowie die Anordnung der einzelnen Zwangsmittel steht dem erkennenden Gerichte, wenn aber die Vernehmung durch einen ersuchten Richter geschehen soll, diesem zu. Vor der Beschlussfassung ist der Zeuge zu hören.


Berufspflichten

§ 14. (1) Der Psychotherapeut hat seinen Beruf nach bestem Wissen
und Gewissen und unter Beachtung der Entwicklung der Erkenntnisse
der Wissenschaft auszuüben. Diesem Erfordernis ist insbesondere
durch den regelmäßigen Besuch von in- oder ausländischen
Fortbildungsveranstaltungen zu entsprechen.

(2) Der Psychotherapeut hat seinen Beruf persönlich und
unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit Vertretern seiner oder
einer anderen Wissenschaft auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich
jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen
Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.

(3) Der Psychotherapeut darf nur mit Zustimmung des Behandelten
oder seines gesetzlichen Vertreters Psychotherapie ausüben.

(4) Der Psychotherapeut ist verpflichtet, dem Behandelten oder
seinem gesetzlichen Vertreter alle Auskünfte über die Behandlung,
insbesondere über Art, Umfang und Entgelt, zu erteilen.

(5) Der Psychotherapeut hat sich bei der Ausübung seines Berufes
auf jene psychotherapeutischen Arbeitsgebiete und
Behandlungsmethoden zu beschränken, auf denen er nachweislich
ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen erworben hat.

(6) Der Psychotherapeut, der von der Ausübung seines Berufes
zurücktreten will, hat diese Absicht dem Behandelten oder seinem
gesetzlichen Vertreter so rechtzeitig mitzuteilen, daß dieser die
weitere psychotherapeutische Versorgung sicherstellen kann.

 

§ 15. Der Psychotherapeut sowie seine Hilfspersonen sind zur
Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes
anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.

§ 16. (1) Der Psychotherapeut hat sich jeder unsachlichen oder
unwahren Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.

(2) Die Anzeige einer freiberuflichen Ausübung der Psychotherapie
darf lediglich den Namen des zur selbständigen Ausübung der
Psychotherapie berechtigten Psychotherapeuten, seine akademischen Grade, die Berufsbezeichnung samt Zusatzbezeichnung sowie seine Adresse, Telefonnummer und Sprechstunden enthalten.

(3) Der Psychotherapeut darf keine Vergütungen für die Zuweisung
von Personen zur Ausübung der Psychotherapie an ihn oder durch ihn
sich oder einem anderen versprechen, geben, nehmen oder zusichern
lassen. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind
nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können
zurückgefordert werden.

(4) Die Vornahme der gemäß Abs. 1 und 3 verbotenen Tätigkeiten ist
auch sonstigen physischen und juristischen Personen untersagt.